Tell adh-Dhahab al-Gharbi
Ausgrabung der Wehranlage
vom August 2005
Sehr geehrter Prof. Pola, 2005 haben Sie erstmalig in Jordanien den Spaten in die Erde der Tulul-adh-Dhahab gestoßen. Warum sind Sie der Feststellung Gordons gefolgt und haben für Ihr Projekt diesen Ort ausgewählt?
Pola: Zum einen hatte ich festgestellt, dass die auf den literarischen Quellen basierende bibelwissenschaftliche Forschung bei der Lokalisierung der Orte Pnuël, Machanaim und Amathous seit Jahrzehnten keinen Fortschritt erkennen lässt, zum anderen hatte ich bei der Begehung des Berges in Jordanien gesehen, dass dort noch nicht gegraben worden ist.
Was für Funde haben Sie bereits gemacht und was für Erkenntnisse konnten Sie daraus gewinnen? Was für Funde und Erkenntnisse erwarten Sie für die Zukunft?
Pola: Die geradezu sensationellen Funde sind in geglättete Steinflächen geritzte Zeichnungen, vermutlich aus dem 9./8. Jahrhundert v. Chr. Für diese Technik gibt es bisher keine Parallelbeispiele aus dem altsyrischen Raum im ersten Jahrtausend v. Chr.! Auf drei Steinen sind gegenständliche Abbildungen zu sehen: das Profil eines männlichen Löwen, zwei Harfenspieler (Teil eines Palast- oder Tempelorchesters) und das Profil einer bartlosen Person (Frau? Kind?) hinter einer Ziege: Teil einer Kultszene? Da diese drei Steine ca. 300 kg pro Stück wiegen, müssen sie ursprünglich auf dem Gipfelplateau verbaut gewesen sein, wo wir sie auch gefunden haben. Gab es also auf dem Gipfel des Berges einen eisenzeitlichen Tempel? Wir suchen weiterhin Fragmente dieser Ritzzeichnungen, mit guten Aussichten!
Wie groß ist das jährliche Grabungsteam? Wer sind die internationalen Partner?
Pola: Das Team umfasst bis zu 24 Personen, bestehend aus europäischen und jordanischen Archäologen, mitreisenden Förderern und studentischen Volontären. Hinzu kommen Arbeiter und der Nachtwächter aus dem nahegelegenen Dorf und von den Beduinen aus der Nachbarschaft. Unser Partner ist die jordanische Antikenbehörde. In Deutschland arbeiten wir dankenswerterweise mit Prof. Dr. Held von der Philipps-Universität, Marburg zusammen.
Sie nehmen seit 2005 immer wieder Interessierte mit zu den Grabungskampagnen. Sind diese interessierten Mitfahrer Laien oder Experten und was ist deren Motivation mitzufahren? Nehmen Sie alle mit?
Pola: Aufmerksam geworden durch unsere Öffentlichkeitsarbeit zeigen besonders Ärzte Interesse an einer Mitarbeit bei der Grabung. Daher reisen jedes Jahr archäologisch interessierte Ärzte und auch andere Führungskräfte mit, manche sogar mehrere Jahre hintereinander. Die meisten freuen sich, einmal selber die Schaufel in die Hand nehmen zu können, und das in einer von antiken Geschichtszeugnissen aufregend reichen und landschaftlich besonders ansprechenden Gegend! Dass die meisten keine archäologisch-handwerklichen Kenntnisse mitbringen, spielt keine Rolle: Unsere mitreisenden Förderer werden durch ein Kompaktseminar an der TU Dortmund vorbereitet und bei der praktischen Arbeit auf dem Berg in Jordanien vom jeweiligen archäologischen Schnittleiter angeleitet. Hitze- und Sonnenverträglichkeit sind allerdings Bedingungen für die Teilnahme.
Warum nehmen Sie Interessierte mit? Können die archäologischen Laien Ihnen als Wissenschaftler überhaupt helfen und wenn ja wie?
Pola: Auf das Abheben der Erde folgt bei jeder Schicht jeweils neu die sorgfältige Dokumentation durch Messungen, Photodokumentation und Zeichnungen. Hinzu kommt die ständig erforderliche Registrierung von Kleinfunden. Diese Arbeitsschritte erfordern unabhängig vom Wissen Gründlichkeit und Genauigkeit. Das können wir einerseits von den einheimischen Arbeitern nicht erwarten, andererseits können die Archäologen die Dokumentation nicht allein bewältigen. Daher ist unser Team auf die Mitarbeit von interessierten Europäern angewiesen.
Warum dauern die Grabungskampagnen nur rund 2-3 Wochen pro Jahr? Was für Voraussetzungen müssen vorliegen, um die Grabungsintensität zu erhöhen?
Pola: Bisher hat unser enger Finanzrahmen nur eine Grabungsdauer von maximal drei Wochen erlaubt. Auch erfordert die Auswertung der wichtigsten Funde nach dem Ende der Kampagne in Dortmund und Marburg monatelange Arbeit, bevor die Funde an die Antikenbehörde zurückgegeben werden. Sobald wir zusätzlich über Stiftungsgelder verfügen, werden wir mit zusätzlichen, in das Projekt eingebundenen Archäologen dann bis zu acht Wochen graben können. Die mitreisenden Interessenten können dann entscheiden, wie lange sie über zwei Wochen hinaus teilnehmen möchten.
Wie sicher ist das Grabungsteam in einer Region, die durch Negativschlagzeilen regelmäßig in den Medien erscheint?
Pola: Jordanien ist die Schweiz der arabischen Welt. Über diese generelle Stabilität hinaus arbeiten wir auf dem Land in einer Gegend, in der es kaum Tourismus gibt. Daher hat es bisher keine Vorkommnisse gegeben. Es ist deutlich gefährlicher, sich im Zentrum einer deutschen Großstadt zu bewegen oder eine deutsche Autobahn zu benutzen als in Jordanien bei unserer Grabung mitzuwirken.
Wurden und werden Ihre Grabungskampagnen von Forschungsgesellschaften oder der TU Dortmund etc. finanziell unterstützt? Wie finanzieren sich die Grabungskampagnen?
Pola: Gegenwärtig befindet sich das Projekt in einer Phase zwischen der inzwischen nicht mehr verlängerbaren Finanzierung durch die TU Dortmund und der Gesellschaft der Freunde der TU Dortmund: Wir sind daher momentan auf Spenden und die Beiträge der mitreisenden nichtstudentischen Interessenten angewiesen. Die Wissenschaftler arbeiten seit Projektbeginn ehrenamtlich mit, ihnen werden aber die Reisekosten ersetzt.
Wie müssen wir uns das Leben im Grabungscamp vorstellen? Beschreiben Sie bitte einen Tagesablauf!
Pola: Um möglichst der Hitze des Tages zu entgehen, fangen wir so früh wie möglich an: Wecken um 4:15 Uhr, ab 4:45 Uhr Frühstück, um 5:30 Uhr Fahrt zum Berg und Aufstieg, 6 Uhr: Arbeitsbeginn (dann wird es bereits hell), 12 Uhr Arbeitsende, Rückkehr in das Grabungshaus, Mittagessen und –pause, ab 16 Uhr Nachbereitung der morgendlichen Funde, 19 Uhr Abendessen (mehrere Gerichte zur Auswahl), Teambesprechung. Die Europäer können auf dem Berg jederzeit im Schutzzelt eine Pause einlegen. Auch können die mitreisenden Förderer gerne mal einen Tag im Camp bleiben – zu tun gibt es auch dort viel, v.a. in der Fundverwaltung.
Wie erfolgt die Nachbereitung der Grabungen? Was für Aufgaben und Projekte laufen noch?
Pola: Die Kleinfunde (v.a. Scherben, Münzen und andere Metallgegenstände) werden gereinigt, gezeichnet und bestimmt. Organisches Material, z.B. Holzkohle, wird extern archäobotanisch und mit Hilfe der Radiokarbonmethode untersucht. Die bei der Grabung mit Hand erstellten Zeichnungen und Pläne werden in eine druckbare Fassung gebracht. Die handschriftlichen Tagebücher, Teilberichte und Skizzen werden abgetippt. Alles zusammen wird in einem ausführlichen internen Bericht zusammengefasst und dokumentiert, der bei der jordanischen Antikenbehörde eingereicht wird. Das Ziel sind aber Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften und v.a. der langfristig zu erstellende Gesamtbericht in reich auszustattender Buchform.
Wie machen Sie das Projekt bekannt?
Pola: Auf Einladung halte ich Vorträge mit Bildern und Graphiken bei unterschiedlichen Gastgebern, von Berufsverbänden bis zu Kirchengemeinden oder Hauskreisen. Auch berichten die regionale und überregionale Presse und der WDR über unsere Entdeckungen. Ein Beitrag bei „Terra X“ ist in Vorbereitung. Vier Botschafter europäischer Länder samt Gefolge haben bereits unsere Grabung besucht. Wir erwarten auch mittelfristig unseren Herrn Bundespräsidenten auf „unserem“ Berg.
Prof. Pola, im Juni 2012 hat Bundespräsident Dr. Joachim Gauck die TU Dortmund besucht und Sie hatten die Gelegenheit, ihm das Projekt vorzustellen. Wie haben Sie sich gefühlt, und wie hat der Herr Bundespräsident reagiert?
Pola: Ein wenig aufgeregt war ich schon, als ich ihm unseren neuen Flyer überreichte und das Projekt skizzierte, aber Herr Gauck war sehr freundlich und hat sich sehr interessiert gezeigt. Als Theologe hat er die Bedeutung unseres Projektes gleich erkannt.
Gibt es Interessierte, die aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen nicht mitfahren können? Besteht für diese eine Möglichkeit, sich genauer über das Projekt und die Grabungskampagnen zu informieren?
Pola: Wir, Prof. Dormeyer, Frau Kröger M.A. (unsere leitende Archäologin) und ich bieten mehrfach im Jahr an jeweils drei Samstagnachmittagen von 14 bis 17 Uhr ein Kompaktseminar an, ob Sie nun mitreisen oder nicht. Es findet jeweils im 2. Quartal vor der Reise statt (die Gebühr von € 300 wird Ihnen, wenn sie mitreisen, auf die Reisekosten angerechnet; Studierende nehmen kostenlos teil). Wenn Sie aber regelmäßig über die Kampagnen und die Ergebnisse der Nacharbeit informiert werden möchten, sollten Sie in den „Verein zur Förderung der Archäologie im unteren Jabboktal/Jordanien e.V.“ (50 € pro Jahr) eintreten (vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt).